1914, März: Remarque

Mein Rückblick auf das Gedenkjahr zum Beginn des Ersten Weltkriegs.

Teil 1: Erich Maria Remarque

Bei winterlichen Temperaturen starten wir von Köln Hbf in Richtung Erich-Maria-Remarque-Friendeszentrum. Wie alle ambitionierten Züge trägt unser HKX den Namenszusatz „Express“.  Freundlich entschuldigt sich der Zugbegleiter über die Bordsprechanlage für 59 Minuten Verspätung und verspricht den durchgefrorenen Fahrgästen einen guten Kaffee. In dessen Genuß wir leider nicht mehr kommen, denn bis Osnabrück war der halbe Liter wohl noch nicht durchgelaufen. Trotz oder gerade wegen der gefühlt seit 1914 im Einsatz befindlichen Waggons des HKX: Echte Gemütlichkeit, nettes Publikum, keine falsche Freundlichkeit des Personals. Prädikat: Empfehlenswert.

friedenszentrum
Bildquelle: Uni Osnabrück (bei mir war Akku leer und schlechtes Wetter)

Osnabrück hat einen beeindruckenden alten Friedhof. Und ist die Geburtsstadt von Erich Maria Remarque. Dessen Anti-Kriegsroman habe ich erstmals mit 15 Jahren gelesen. Das Buch hat dabei solche Spuren hinterlassen, dass später meine Wehrdienstverweigerung auf „Im Westen nichts Neues“ basierend umfangreich verschriftlicht habe. Ob das jemand gelesen hat? Ich selbst kann mich nicht erinnern, im Geschichtsunterricht überhaupt mal etwas außer „Thronfolger erschossen. Kaiser fängt Krieg an. Deutschland muss Reparationen zahlen.“ gelesen zu haben. Das sollte jetzt endlich anders werden.

Mit dem Werk Remarques fühlt man den Krieges, die Angst, Kameradschaft, den Trübsinn, liegt in dreckigen Schützengräben. In denen, so zeigt die Ausstellung im Friedenszentrum, Remarque selbst nur sehr kurze Zeit selbst gelegen haben konnte, bis er durch eine Schusswunde von der Front abgezogen wurde. Interessanterweise warf man gerade das dem Erfolgsautor von 1929 vor, denn anders als die „Stahlgewitter“ von Ernst Jünger lag hier anscheinend kein biographisches Kriegstagebuch eines einfachen Soldaten vor. Und nur so etwas war seit den Erinnerungen Hindenburgs und Ludendorfs die einzig akzeptierte Literatur über den Krieg.  Der hatte Deutschland auch längst verlassen, als man sein Werk 1933 verbrannte.
Remarque hatte allerdings nie ein authentisches Tagebuch aus dem Felde verkaufen wollen. Verkaufen tat letztlich der Ullstein-Verlag, und zwar einen Roman, der – wie bei Jünger auch – mehrfach durch den Autor für die geneigte Leserschaft „angepasst“ wurde bzw. werden musste.
In der wunderbaren Hörspielfassung ist mir jetzt selbst wieder aufgefallen, wie meisterhaft Remarque starke Bilder in lakonische Sätze eingepackt, wie sich die Szenen des Mordens und Grauens abwechseln mit Phasen aus Einsamkeit und Kameradschaft. „Im Westen nichts Neues“ ist, gerade aufgrund seiner einfachen Sprache, so gut anzuhören wie zu lesen.

Bildquelle: Uni Osnabrück

Der Autor selbst wurde über Nacht zum Star, die Aufsteller zeigen ihn auffallend häufig in Gesellschaft hübscher Damen und voller Gläser. Tatsächlich war Remarque nicht nur durch den Verkauf des Buches, sondern auch durch die amerikanische Verfilmung nur ein Jahr später recht reich und berühmt geworden. Depressionen und Alkohol folgten; Man würde ihn stets auf sein eines Buch reduzieren, das und gegen das er sich bis an sein Lebensende würde verteidigen müssen.

 

 

Ein literarischer Auftakt zum Gedenkjahr, dem ein ganz anderer und doch ganz ähnlicher Roman aus Irland folgen sollte.