Gute Nacht, Blackbeard (*)

Ob Alice Schwarzer nachts ruhig schlafen kann? Zumindest nicht in ihrer Bibliothek im Bayenturm (Rheinauhafen). Denn in den Bäumen schräg gegenüber geht’s nach Anbruch der Dunkelheit zu wie zur gleichen Zeit auf dem Brüsseler Platz in der Innenstadt. Ohne Kölschgeklirr und Klingeltonparade, dafür nicht weniger lautstark, diskutieren in der Nähe des FrauenMediaTurms abends in paar Hundert grüne Hipster mit rotem Schnabel: Die Halsbandsittiche.

Diese bunten Gestalten leben seit der Hippiezeit in Köln. Einige Exemplare sind damals aus dem Zoo ausgebüxt und überstanden die milden Winter im Rheinland. Ihr Bestand ist heute stabil und zum Glück überschaubar, so dass man sie nicht auf die schwarze Liste setzen muss.

halsbandsittich
Foto: Wikipedia

Auf der sie die Poller Kleingärtner gerne sähen. Man stelle sich vor: Die grünen Rabauken fliegen ohne Krallen-Abtreten über die Grundstücksgrenzen der Schrebergärten, setzen sich frech in die liebevoll gespritzen Obstbäume und knapsen wie aus Hohn ein paar Blüten ab, die sie dem schimpfenden Pächter gnädig vor die Füße hinunter werfen. Letztes Jahr durfte ich einen wutschnaubenden Gärtner wie einen bellenden Dackel in freier Wildbahn einem wegfliegenden Vogel hinterherlaufen sehen: »Isch mach disch platt, die jrüne Aap«. (Anm. des Verf.: »Aap« heißt auf Kölsch »Affe«. Dieser hält sich zwar ebenfalls auf Bäumen auf, im Rheinland aber doch vergleichsweise selten. Sieht im Übrigen durch sein Fell auch anders aus als ein Papagei.).

Der normale Jogger bemerkt den Halsbandsittich im Grünen eher selten, weil er und seine 20 Kollegen sich in den Baumkronen nur schwer vom Hintergrund abheben. Deutlicher – auch unter Kopfhörern – vernimmt man sein »Lachen«, weshalb die Tiere immer gut gelaunt wirken. Abends kommt die Sippe zum Schlafen gehen wie in einer großen Jugendherberge zusammen. Und bis jeder erstmal sein Baumbett gefunden hat, muss viel palavert werden. Das Gekrächze gab der Stadt schon einmal Anlass, die Tiere mit Böllerschüssen von ihrem Lieblingsbaum vor dem Altenheim Riehl zu verscheuchen. Unnötig, denn Halsbandsittiche ziehen von allein gerne um. Eine Hundertschaft hat sich aktuell für die Südstadt entschieden. Für eine der wenigen Baumreihen am Rheinaufhafen. Mich freut das. Gute Nacht, Blackbeard; Gute Nacht, Alice!

Minute 1: Zusammenkunft am Bürgerhaus Stollwerk, Minute 2: Das Abendkonzert

(*) mit den Drei Fragezeichen aufgewachsen. Folge 1: »Der Superpapagei«